Von Wawa Wang, Senior Advisor to VedvarendeEnergi
Anfang Juni dieser Woche trafen sich die EU und China, um Differenzen auszuräumen, unter anderem, wie EU-Vizepräsident Josep Borrell es ausdrückte, die „systemische Rivalität“ zwischen der EU und China. Chinas Botschafter bei der EU hingegen sagte ohne Umschweife, dass es keinen „grundlegenden Unterschied“ zwischen beiden gibt. Angesichts der vielen geopolitischen Herausforderungen, die eine Zusammenarbeit über den heutigen virtuellen Gipfel hinaus erfordern, war unklar, ob die Klima-Auswirkungen der von China finanzierten neuen Kohlekraftwerke in Südost-Europa besprochen würden. Diese neuen Kohlkraftwerke werden im Rahmen von Chinas„Neuer Seidenstrasse“ finanziert, die auch als „One Belt, One Road“ (OBOR) oder „Belt and Road Initiative“ (BRI) bekannt ist. Bedauerlicherweise sind die Klima-Auswirkungen der chinesischen Kohlefinanzierungen in Europa nicht zur Sprache gekommen.
Anfang Juni, in einer Runde strategischer Gespräche in Vorbereitung für das Treffen, bekräftigten Diplomaten der EU und China ihr Engagement für den Kampf gegen den Klima-Wandel und dass eine Lösung nur in beidseitiger Kooperation China’s und der EU gefunden werden kann. Details, wie die EU eine solche Zusammenarbeit mit China im Hinblick auf die Klima-Auswirkungen der BRI zu realisieren plant, sind schwammig.
Die BRI ist wichtig in diesem Zusammenhang, weil China sich im Rahmen des Pariser Abkommens verpflichtet hat, ihren Höhepunkt für Kohlendioxidemissionen nach Möglichkeit um 2030 oder früher zu erreichen. China ist der größte öffentliche Finanzier für fossile Brennstoffe und stellt laut einem aktuellen Bericht über die Finanzierung der G20 jährlich 20,2 Milliarden US-Dollar (ca. 18 Mrd. Euro) für Öl und Gas und 4,4 Milliarden US-Dollar (ca. 3.9 Mrd. Euro) für Kohle bereit.
China ist auch der weltweit größte Produzent und Investor von erneuerbarer Energie. Während Kohle immer noch den Spitzenplatz im Energiemix des Landes einnimmt, ist ihr Anteil rückläufig. Die Bemühungen des Landes zur Emissionsreduzierung werden jedoch durch eine Lockerung der Kohlekraftbeschränkungen untergraben, die zu etwa 10 Gigawatt neuer Zulassungen im Inland und zur Finanzierung von Kohleprojekten in Übersee geführt hat.
Im vergangenen Jahr äußerte die EU in der Veröffentlichung EU-China: Ein strategischer Ausblick Bedenken darüber, dass China in vielen Ländern Kohlekraftwerke baut. Dieses Anliegen gibt leider immer noch Anlass zur Sorge.
In Europa könnten bis zu 3,5 Gigawatt Kohlekraftwerke von staatlichen chinesischen Unternehmen gebaut werden. Der Bau der neuen Einheit für das Kohlekraftwerk von Tuzla in Bosnien und Herzegowina und die zweite Phase eines Kohlekraftwerks in Kostolac B3 in Serbien schreiten voran, trotz laufender Untersuchungen des Prüfungs-Ausschusses einer internationalen Konvention über den Zugang zu Umweltgerechtigkeit. Beide Projekte werden vor Ort gerichtlich bestritten.
Anfang diesen Jahres kündigten chinesische Staatsunternehmen zwei neue Projekte in Südosteuropa an – in Serbien und Montenegro – ungefähr zur gleichen Zeit, als die chinesische Energiebehörde (NEA) die Beschränkungen für Kohlekraft lockerte. Der Schritt der chinesischen Behörden, Kohleprojekte im In- und Ausland zu genehmigen, die mit von der chinesischen Regierung unterstützten Krediten finanziert werden, steht im Widerspruch zur „Ökologisierung der BRI“ – Stellungnahmen.
Grund zur Sorge gibt die herausragende Rolle chinesischer staatseigener Unternehmen, die sich auf Kohlekraft und Rohstoffgewinnung spezialisiert haben und die BRI-Länder an emissionsintensive Entwicklung binden. China ist international der führende Kreditgeber und Exporteur von Kohletechnologien. Eine Vielzahl staatseigener Unternehmen, die unter anderem durch Staatsdarlehen der China Development Bank und von China Exim unterstützt werden, stehen in einem harten Wettbewerb um Projekte in Europa, Afrika südlich der Sahara und Asien. Laut Ma Jun, ehemaliger Chefökonom der Volksbank von China, könnten “BRI-Länder bis 2050 mehr als die Hälfte der globalen CO2-Emissionen verursachen”.
Chinas erklärte Politik – unterstützt durch die Vision der „Neuen Seidenstrasse“ – besteht heute darin, sowohl die Entwicklungshilfe als auch den Export seiner Industrien weltweit an Orte zu steigern, die für Chinas geopolitische Interessen von entscheidender Bedeutung sind. Chinas Kreditvergabepraxis „ohne weitere Bedingungen“ im Gegensatz zu den von multilateralen oder westlichen Kreditgebern geforderten Auflagen hat den raschen Einstieg chinesischer staatlicher Unternehmen in den südosteuropäischen Markt für fossile Brennstoffe und große Infrastrukturprojekte vorangetrieben.
Im Ansturm auf chinesische Kredite stimmen die südosteuropäischen Länder Kohle- und Infrastrukturabkommen zu, die sich als problematisch für die Dekarbonisierung der Länder erweisen könnten. Während die EU-Beitrittsländer des westlichen Balkans einige Fortschritte bei der Angleichung ihrer Vorschriften und Maßnahmen an EU-Standards erzielt haben, ist die Position der Region im „Foyer“ der EU-Erweiterung ein Anreiz für chinesische staatliche Akteure, das lockerere regulatorische Umfeld für die Förderung staatlich geführter Kohlegeschäfte zu nutzen, was häufig zur Aufweichung von Anforderungen an Ausschreibungsprozesse und das nationale Recht führt. Serbien, zum Beispiel, hat außergerichtliche Maßnahmen eingeführt, um die Ausschreibungspflicht für den von China finanzierten Kostolac B3-Deal zu beseitigen.
Chinesische Unternehmen, die auf dem Balkan Kohlekraftwerks- und Kohlebergwerkserweiterungsprojekte durchführen, bauen normalerweise auf ein Paket aus Krediten chinesischer Banken, als Gegenleistung für die Vorzugsbehandlung durch die Projektempfängerländer. Einige dieser Projekte haben im Rahmen irregulärer Finanzierungsvereinbarungen oder Vergabeverfahren eine Reihe von Verstößen gegen das nationale Recht, die EU-Energie-Vereinbarung „acquis communautaire“ (gemäß EU-Harmonisierungsabkommen erforderlich) und internationale Konventionen ausgelöst.
Das Fehlen von EU-Strafmaßnahmen für Verstöße gegen nationales Recht und EU-Standards könnte chinesische Unternehmen dazu einladen, wettbewerbsfähige Kredite zu nutzen, von denen chinesische EPC-Auftragnehmer in dem bereits fragmentierten regulatorischen Umfeld im Hinterhof der EU profitieren. Die China Gezhouba Group, der EPC-Auftragnehmer für das von The Export-Import Bank of China finanzierte Kohlekraftwerksprojekt Tuzla 7 in Bosnien, ist ein Unternehmen mit mehreren mit Gezhouba verbundenen Unternehmen, die von internationalen Finanzinstitutionen unter Berufung auf betrügerische Praktiken ausgeschlossen werden.
Im Jahr 2018 reagierte Chinas Außenminister Wang Yi auf die Kritik von Nicht-Regierungs-Organisationen und dem Europäischen Parlament an den Unregelmäßigkeiten der “16 + 1-Zusammenarbeit” mit einer offiziellen Erklärung, dass “die Zusammenarbeit im Einklang mit EU-Gesetzen und Vorschriften durchgeführt werden sollen”, hat aber seitdem keine konkreten Lösungen für die mit Unregelmäßigkeiten behafteten chinesischen Kohleprojekte angeboten.
China kreiert in BRI-Ländern durch die Finanzierung von Baumaßnehmen eine kohlenstoffreiche Infrastruktur. Die Lösung des Klimawandels kann nicht ohne die Zusammenarbeit mit China geschehen, sagt die EU.
Worte zählen. Die nächsten Schritte der EU in Gesprächen mit China zählen auch.